filing tax return online
Photo by Nataliya Vaitkevich on Pexels.com

Finanzbuchhaltung 4.0: Digitalisierung als Chance für Kanzleien

Der Digitale Wandel in der Finanzbuchhaltung (FiBu) ist ein zentrales Thema für Steuerkanzleien und umfasst weit mehr als nur die Einführung neuer Technologien. Er stellt eine grundlegende Transformation dar, die sowohl technische Prozesse als auch menschliche Einstellungen und Rollenbilder betrifft.

Definition und Umfang des Digitalen Wandels in der FiBu Der digitale Wandel in der Finanzbuchhaltung bedeutet, weg von der traditionellen Papierbuchhaltung hin zu vollständig automatisierten und medienbruchfreien Prozessen. Dies beinhaltet:

  • Die automatisierte Verarbeitung strukturierter Rechnungsdaten.
  • Kontinuierliche Datenflüsse durch Schnittstellen, anstatt monatlicher Belegübermittlung.
  • Die Nutzung von KI-gestützten Systemen, die Routineaufgaben übernehmen.
  • Eine gemeinsame, jederzeit einsehbare Datenbasis für Kanzlei und Mandantschaft.

Herausforderungen des Digitalen Wandels Oft erleben Kanzleien trotz Investitionen und Schulungen, dass die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurückbleiben. Der Hauptgrund liegt selten in der Technik, sondern im Kopf der Beteiligten.

  • Menschliche Komponente und Widerstand: Die Einführung von Automatisierung kann als Bedrohung wahrgenommen werden, da sie bisher wertgeschätzte Tätigkeiten entwertet und feste Routinen aufbricht. Dies erzeugt Widerstand, da es das berufliche Selbstbild und die Identität berührt.
  • Informationsdruck: Die Flut neuer Softwarelösungen und Updates kann selbst technikaffine Mitarbeitende überfordern.
  • Eingefahrene Gewohnheiten der Mandantschaft: Viele Mandanten sind an Papier gewöhnt und schätzen Rituale wie den monatlichen Pendelordner-Austausch.
  • Fehlendes Know-how und Vorbehalte: Mandanten können Ängste vor Mehraufwand, Fehlern oder unbekannten Programmen haben, teilweise auch fehlende Hardware.
  • Kompatibilitätsprobleme und Datenschutzbedenken: Schwierigkeiten bei der Systemkompatibilität und Sicherheitsbedenken in Bezug auf Cloud-Daten können auftreten.

Vorteile und Effizienzgewinne der Digitalisierung Trotz der Herausforderungen bietet die digitale FiBu erhebliche Vorteile:

  • Zeitersparnis: Beispielsweise spart die automatisierte Erzeugung vollständiger Buchungssätze für digitale Belege täglich ein bis zwei Stunden Arbeitszeit. Automatisierung repetitiver Aufgaben entlastet Mandantschaft und Kanzleimitarbeitende.
  • Fehlerreduktion: Automatisierte Abläufe sind präziser und minimieren das Risiko von Dateneingabefehlern.
  • Transparenz und Echtzeit-Überblick: Digitale Systeme ermöglichen eine bessere Übersicht über aktuelle Zahlen und einen aktuellen Überblick über die Finanzlage.
  • Erweiterte Beratungsmöglichkeiten: Die gewonnenen Effizienzgewinne schaffen Freiraum für echte Facharbeit, Beratung und neue Dienstleistungen.
  • Wettbewerbsfähigkeit: Eine konsequente Digitalisierung ist unerlässlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben, insbesondere im wachsenden E-Commerce-Bereich.

Strategien zur erfolgreichen Umsetzung des Digitalen Wandels Um den digitalen Wandel erfolgreich zu gestalten, ist ein Perspektivwechsel entscheidend: Es geht nicht darum, was wegfällt, sondern was Neues entsteht.

  • Kultureller Wandel und Einstellung: Automatisierung ist nicht das Ende von Kompetenz, sondern der Beginn neuer. Ein bewusster Umgang mit der Veränderung des Rollenbildes ist erforderlich.
  • Gemeinsames Zielbild und klare Kommunikation: Die Kanzlei sollte definieren, was mit Automatisierung erreicht werden soll (z.B. Echtzeitberatung) und transparent mit dem Team kommunizieren, um Vertrauen zu schaffen und Sorgen sichtbar zu machen.
  • Mitarbeiterqualifikation:
    • Extern: Gezielte Weiterbildungen wie der Fachassistent Digitalisierung und IT-Prozesse (FAIT), der Buchhaltroniker®, oder der Zertifizierte FiButroniker vermitteln fundiertes Wissen. Auch Angebote von Softwareanbietern wie DATEV oder Lexware Office sind wichtig.
    • Intern: Regelmäßige Schulungen, Wissensdatenbanken, Feedbackrunden und die Benennung von Kanzlei-Organisationsbeauftragten (KOB) fördern den Wissenstransfer und die kontinuierliche Prozessverbesserung. Es ist wichtig, Freiräume für diese Aufgaben zu schaffen und Ängste aktiv abzubauen.
  • Mandanteneinbindung:
    • Transparente Kommunikation des Nutzens: Den Mandanten die konkreten Vorteile der digitalen Buchführung aufzeigen (Zeitersparnis, bessere Übersicht, schnellere Entscheidungen).
    • Einfühlsame Schulung: Schulungsangebote (Webinare, Video-Tutorials, persönliche Einführungen) an unterschiedliche Wissensstände anpassen und diffuse Ängste geduldig auflösen.
    • Prozessdefinition und Dokumentation: Gemeinsam mit dem Mandanten einen digitalen Prozessleitfaden erstellen, der Zuständigkeiten, Fristen und Kommunikationswege klärt.
    • Schrittweise Umsetzung: Die Digitalisierung in Etappen einführen, z.B. beginnend mit der digitalen Belegübermittlung, um Mandanten an die neue Arbeitsweise zu gewöhnen.
    • Dauerhafte Unterstützung: Bereitstellung von Hilfsmaterialien und Nachschulungen, um Mandanten nicht allein zu lassen.

Technologische Hebel: Tools, Schnittstellen und KI

  • Schnittstellen als strategischer Hebel: Die wahre Digitalisierung liegt in der automatisierten Verarbeitung strukturierter Rechnungsdaten. Schnittstellen zu den Vorsystemen der Mandanten sind besonders effizient (z.B. DATEV Datenservices erreichen bis zu 128 Buchungssätze pro Stunde, gegenüber 80 bei DATEV Unternehmen online und 70 bei Papierbuchhaltung).
  • Verpflichtende E-Rechnung: Die Einführung der E-Rechnungspflicht ab 2025 schafft ein Zeitfenster, das Kanzleien nutzen können, um Mandanten bei der Auswahl geeigneter Softwarelösungen zu beraten, die medienbruchfrei mit der Kanzlei kommunizieren.
  • Künstliche Intelligenz (KI): KI-Tools wie DATEV Automatisierungsservice Rechnungen (ASR) und Bank (ASB) analysieren Inhalte, erkennen Muster und erzeugen automatisierte Buchungsvorschläge. Spezialisierte Plattformen wie Finmatics oder Tabular bieten ähnliche Funktionen. Sogar dialogfähige KIs wie Tess von Countful können direkt mit Mandanten kommunizieren, wenn Belege fehlen.

Die neue Rolle der Kanzlei und die Nutzung von Effizienzgewinnen Die Digitalisierung führt dazu, dass klassische Buchhaltungsfunktionen zunehmend in Systeme der Mandantschaft, in spezialisierte Software oder in KI-Funktionen verlagert werden. Die Rolle der Kanzlei wandelt sich daher vom Erfassungsdienstleister zum Gestalter digitaler Datenflüsse und strategischen Partner.

  • Bewusste Planung der Zeitverwendung: Die gewonnene Zeit sollte aktiv und strategisch geplant werden, um sie nicht passiv zu „Mehrgeschäft“ werden zu lassen.
  • Neue Geschäftsmodelle und Beratungsfelder: Kanzleien können den Freiraum nutzen, um Mandanten aktiver zu betreuen, z.B. mit Analysen, Planungen oder unternehmerischem Sparring. Beispiele sind Nachhaltigkeitsberatung, Fördermittelbegleitung oder die Beratung zur Mandanten-Digitalisierung.
  • Spezialisierung im E-Commerce: Die komplexe E-Commerce-Buchhaltung erfordert spezialisierte Steuerkanzleien, die mit spezifischen Softwarelösungen wie Amainvoice integrierte Prozesse anbieten und als Risikomanager und strategische Partner agieren.
  • Arbeitszeitmodelle: Die gewonnene Effizienz kann sogar neue Arbeitszeitmodelle wie die 4-Tage-Woche ermöglichen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Digitale Wandel in der Finanzbuchhaltung eine strategische Neuausrichtung erfordert, die über bloße Technologie hinausgeht und die Investition in die Köpfe der Mitarbeitenden und eine bewusste Gestaltung der neuen Prozesse und Rollen umfasst, um die Kanzlei zukunftsfähig zu machen.